RELIEFINTARSIEN AUS EGER
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PYRAMUS & THISBE
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Johann Georg Fischer | Pyramus und Thisbe | Grünes Gewölbe Dresden
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Wir restaurierten das Objekt 1997 | ![]() |
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Nachdem bereits 1655 ein großartiges Brettspiel aus der Hand Johann Georg Fischers in die Dresdener Kunstkammer gelangt war, wurde im August 1656, nur wenige Wochen vor dem Tod des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., ein weiteres Meisterwerk des Künstlers übergeben: „Ein von farbicht gesottenen Holtz, erhabene und eingelegte Historie, aus dem Ovidio: Wie Pyramis und Thisbe, sich aus Liebe gegeneinander, erstechen, in schwartztem Rahmen." (1) Über die näheren Umstände des Erwerbes liegen leider keinerlei Erkenntnisse vor.
Wenn man die graphische Vorlage, ein nur 11,7 x 7,4 cm messendes Blatt Heinrich Aldegrevers aus dem Jahre 1553, mit der dreidimensionalen Umsetzung vergleicht, erahnt man das große Können Johann Georg Fischers und dessen Gespür fürs Detail. „Die Gruppe der beiden Gestalten hebt sich in scharfer Silhouette von der Landschaft ab. Wasser, Erde und Himmel aus verschiedenen Platten mit heute kaum sichtbaren Fugen zu einem krausen Teppichmuster verwoben, zeigen die Hand eines Künstlers, der gewohnt ist, malerisch zu denken...“ schrieb Jean Louis Sponsel in seiner „Auswahl von Meisterwerken“. (2) Das Bildzentrum wird von der nackten aufrecht stehenden Thisbe eingenomme, die soeben die Waffe gegen ihren Oberkörper zückt. Ovids Metamorphosen berichten über die unglückliche Liebe von Pyramus und Thisbe, Kinder zweier verfeindeter Familien, die sich nur Nachts heimlich treffen konnten. Thisbe, die einmal vor ihrem Geliebten eintraf, nahm inzwischen ein Bad in der nahen Quelle, während eine umherschleichende Löwin ihre Kleider davontrug. Der hinzukommende Pyramus erblickte das Untier und glaubte seine Liebste zerrissen und gefressen, weshalb er sich aus Verzweiflung erstach. Thisbe, die den Niedergestürzten später fand, gab sich daraufhin selbst den Tod. Die Begebenheit galt in der Emblematik des 16. und 17. Jahrhunderts als Synonym für die „Grausamkeit der Liebe“. „Ich folge dir in den Tod, o Pyramus; das Schwert, das dein Inneres verwundet hat, soll mein Herz durchbohren. Wer wollte deiner Fahne folgen, grausamer Cupido, der du die Deinen mit solcher Härte behandelst!“ (Ovid. Met. IV, 55 ff.) Die tragische Geschichte beschäftigte Heerscharen von Künstlern und auch an Egerer Kabinettschränken ist die Szene im Kreise weiterer Ovidscher „Verwandlungen“ des öfteren zu finden, so etwa an einem Adam Eck zugewiesenen kleinen Möbel der Veste Coburg oder am großen Prunkschrank des Meisters mit dem ornamentierten Hintergrund im Museum für Kunsthandwerk Frankfurt am Main. In der ihm eigenen verfeinerten sehr manieristischen Art hat Fischer jeden Quadratzentimeter der Reliefintarsia ausgenutzt. Die Restaurierung des Bildes ließ einen wesentlich größeren Kontrastumfang innerhalb der Palette verwendeter Hölzer zum Vorschein kommen, als es die bis dato sehr dunkel und lederschnittartig erscheinende Reliefintarsia assoziierte. In der schon vom 1655 nach Dresden gekommenen Brettspiel bekannten Eigenart behandelte Fischer auch hier den Hintergrund der traurigen Szenerie: Dicht quellende plastisch angelegte Wolken überziehen geradezu unheilverkündend den Himmel, ein weder auf Aldegrevers Blatt noch auf der Merianschen Vorlage für das Brettspiel zu findendes Element. In Abweichung vom Stich des westfälischen Kleinmeisters fügte Fischer eine neben Pyramus am Boden liegende Schleuder hinzu, tauschte Aldegrevers Monogrammschildchen gegen einen Stein mit der Inschrift „Johann George Fiescher fecit“ und schmückte die nackte Thisbe mit einem verknoteten Schleiertuch. Auch ließ er Blut aus Pyramus Wunde strömen und vor der am Meer gelegenen Stadt ein kleines Segelschiff kreuzen. Die auf der Graphik oben links platzierte Inschrift verlagerte Fischer bildparallel an den unteren Rand und legte sie aus winzigen Holzspänchen ein: THISBE OB MORTEM PYRAMI SUI PROCI, SEIPSAM GLADIO CONFODIT. Der als Chronogramm gestaltete lateinische Text ergibt die Jahreszahl 1656, die wahrscheinlich nicht nur den Übergabezeitpunkt, sondern auch das Entstehungsjahr des Kunstwerkes fixiert. Das Dresdner Kunstkammerinventar, angelegt nach dem 24.12.1732, vermerkt hinsichtlich des Eingangs: „Übergeben den 3. August:1656 No.9" und gibt als Aufbewahrungsort das „5. Zimmer“ an. Zum Zeitpunkt dieser Eintragung hatte die kurfürstliche Kunstkammer bereits zahllose Umstellungen und Neuordnungen erlebt. Der große Brand des Dresdner Residenzschloßes am 25. März 1701 führte in Folge zu einer kompletten Auslagerung der Bestände, die nach mehreren Stationen 1730 schließlich im Zwinger endete. Als die Kunstkammer 1832 aufgelöst und an die inzwischen entstandenen Spezialmuseen verteilt wurde, übergab man Fischers Reliefintarsia am 6. Juli 1832 an das Grüne Gewölbe. Der ein Jahr vorher erstmals erschienene, von Carl Andreas Adolf Freiherr von Landsberg verfaßte, Führer für das Grüne Gewölbe konnte die Reliefintarsia demzufolge noch nicht berücksichtigen. Sponsels Führer von 1921 gibt als Standort des Bildes das seit der Modernisierung von 1913 zur Raumabfolge hinzugefügte Kaminzimmer im Dresdner Residenzschloß an. Erst 1958 kehrte Fischers Kunstkammerstück aus der Sowjetunion zurück, wohin man es nach dem Zusammenbruch von 1945 gebracht hatte. Fischers Vorliebe und Talent für eine handwerklich höchst diffizile Technik mit mikroskopisch kleinen Einzelteilen lassen sich an der Dresdener Bildplatte genauestens studieren. So kann man mit einer Lupe delikate Details im Schambereich der Thisbe orten, die bis zur Restaurierung unter einer dicken verbräunten Lackschicht verborgen lagen: drei nur stecknadelspitzengroße Muttermale und eine Millimetergroße Laus mit sechs Beinen lassen sich deutlich erkennen. Unter einem Mikroskop wird ersichtlich, daß alle diese Winzigkeiten tatsächlich aus Holz in den Körper der Thisbe eingelegt worden sind. Offen bleibt, ob die mit bloßem Auge kaum auszumachenden Feinheiten nur einer Laune Fischers entsprangen oder ob sie bewußt zur Unterhaltung der kurfüstlichen Gäste und Kunstkammerbesucher dienten, die mit starken Vergrößerungsgläsern bewaffnet sich an derartigen Reizen erfreuten. Da ebenso das Brettspiel Fischers mit solchen Lupenkunststückchen aufwartet, muß man diese Erscheinung wohl auch vor dem Hintergrund der damaligen Begeisterung für die Leistungen der Mikroskopiker jener Zeit werten. Fischer montierte seine Reliefintarsia in einen stark kehligen ebonisierten und mit geschwärzten Flammleisten akzentuierten Rahmen. Eine schmale Flammleiste trennt das eigentliche Bild von der darunterliegenden Schriftzeile. ANMERKUNGEN LITERATUR ALL COPYRIGHTS |
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