RELIEFINTARSIEN AUS EGER
DAS EISENACHER BRETTSPIEL
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Schauseite mit Proserpinaraub

Wir restaurierten das Brettspiel 1998
Unbekannter Meister
2. Hälfte 17. Jahrhundert (vor 1658)
Maße: H 8 x B 51,5 x T 51,5 cm
Eisenach, Sammlungen der Wartburg-Stiftung
Inv.Nr.: KH 47 (alt 173)

Von vier stürmischen Pferden gezogen jagt Pluto, der Herrscher der Unterwelt, mit der geraubten Proserpina davon. Die Reliefintarsia des Eisenacher Spiels folgt einer im Barock besonders stark hervortretenen Tendenz zum erotischen und leidenschaftlichen Element. Der außerordentlich dynamisch angelegten Figurengruppe steht allerdings ein durch Stilisierung der Wellen monoton wirkendes Gewässer gegenüber. Der Bildhintergrund reicht vom mit dicht belaubten Bäumen besetzten Nahbereich über eine plastisch angelegte Stadtsilhouette in der Mitte bis zu hohen, flach intarsierten, Bergen am Horizont hin. Den Himmel beleben sowohl plastisch aufgelegte als auch lediglich in den Untergrund gravierte Wolkengruppen. Über den Wolken, schon den oberen Bildrand berührend, ist ein schmales Täfelchen befestigt, auf dem schemenhaft noch zu lesen ist: "RAPTVS. PROSERPINA. OVID. METAM. LI. 4."

Die Reliefintarsia ist mit Flammleisten eingefaßt. Der breite Rahmenrand wurde mit zwölf reliefintarsierten Blumen auf punktiertem Grund ausgefüllt, deren Schutz einfache gedrechselte Holzknöpfe übernehmen. Analog hat man den Rahmen des Damespiels auf der Rückseite der Kassette behandelt.

Das Trictrac folgt in seiner Gestaltung Adam Ecks Brettspiel auf Schloß Hinterglauchau in Sachsen, ohne jedoch dessen Feinheit zu erreichen. Die Herstellung eines so ähnlichen Spielplanes ist nur erklärbar, wenn man dem unbekannten Künstler Kenntnisse von den Arbeiten Adam Ecks unterstellt. Aus welchen Zusammenhängen heraus diese resultieren, muß freilich zunächst offenbleiben. Auch das Damespiel besitzt viele Ähnlichkeiten mit dem Glauchauer Vergleichsstück, denn man hat in die dunklen Felder einzelne Blumen und in die hellen Felder Fruchtbündel intarsiert. Gleichwohl ist auch hier eine geringere Feinheit der Ausführung zu bemerken.

Zum Spiel erhalten haben sich elf dunkle und zwölf helle gedrechselte Steine. Während die Rückseiten durchgehend mit reliefintarsierten Blumen belegt sind, hat man die Vorderseiten mit Büsten römischer (dunkle Steine) und deutscher Kaiser (helle Steine) versehen. Kleine Schildchen, die aus dem sonst punktierten Fond der Medaillons ausgespart sind, trugen ursprünglich die Namen der dargestellten Personen. Im Vergleich mit den bezeichneten Spielsteinen des Grünen Gewölbes und einer UV-Untersuchung während der Restaurierung lassen sich auf den hellen Steinen folgende Herrscher identifizieren: 1. Karl IV., 2. Wenceslaus IV. von Böhmen, 3. Ruprecht, genannt Clem., 4. Albrecht II., 5. Friedrich IV., 6. Maximilian I., 7. Maximilian II., 8. Rudolf II., 9. Matthias, 10. Ferdinand II., 11. Ferdinand III., 12. Ferdinand IV. Ursprünglich gehörten 15 helle Steine zum Spiel; in der Regentenreihe fehlen Siegismund, Karl V. und Ferdinand I.

Die römischen Kaiserporträts lassen sich auf Grund des geringen Individualisierungsgrades schwer bestimmen. Die Inschriften sind nicht mehr sichtbar. Mit Hilfe von UV-Licht konnten jedoch auch hier einige der Dargestellten zweifelsfrei bestimmt werden: Gajus Julius Cäsar, Gajus Octavianus Augustus, Tiberius Clausius Nero, Gajus Julius Caesar Augustus, genannt Caligula, Tiberius Claudius Nero Germanicus, Titus Vlavius Vespasianus, Titus Vlavius Domitianus. Ein bekröntes Porträt gibt sich im Vergleich mit anderen Spielsteinen  als Marcus Ulpius Trajanus zu erkennen. Es darf wohl davon ausgegangen werden, daß der einstig vollständige Satz alle Kaiser lückenlos von Gajus Julius Cäsar bis Marcus Nerva Coccejus darstellte. Der Stil der Figuren ähnelt dem des  Spielsteinsatzes, der zum Sammlungsbestand des Deutschen Historischen Museums in Berlin gehört.

Entstanden ist das Eisenacher Spiel spätestens 1657, denn die Ahnenreihe auf den Spielsteinen endet mit dem Porträt Kaiser Ferdinands III. (der dargestellte Ferdinand IV. starb schon 1654). Somit wurde das Brettspiel noch zu Lebzeiten Adam Ecks gefertigt. Auf keinen Fall aber handelt es sich um eine wenig virtuos ausgeführte Arbeit der Erkstatt Ecks, wie man einwenden könnte. Dies schließt die völlig andere Stilistik der reliefintarsierten Schauseite aus.

Das Brettspiel in Eisenach stammt aus großherzoglichem Besitz, doch konnte ein genauer Herkunftsnachweis noch nicht erbracht werden. Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach hatte im 19. Jahrhundert begonnen, die bis dato nur noch als Landesfestung dienende Wartburg zu restaurieren und mit „vaterländischen Alterthümern“ auszustatten. Zur Verwirklichung seiner Ambitionen wurden Kunstgegenstände aus anderen Besitzungen herbeigeschafft bzw. käuflich erworben.

LITERATUR
Jochen Voigt: Für die Kunstkammern Europas - Reliefintarsien aus Eger, Halle 1999, S. 307-308.

ALL COPYRIGHTS
Jochen Voigt (Text) und May Voigt (Fotos) 1998