RELIEFINTARSIEN AUS EGER
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DAS DRESDNER BRETTSPIEL
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Schauseite mit Darstellung der Schlacht von Zama
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Wir restaurierten das Brettspiel 1994/95 | ![]() |
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Johann Georg Fischer
Brettspielkassette 1655 Maße: H 12 x B 54 x T 54 cm Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Grünes Gewölbe Inv.Nr.: VII 250 „Ein groß höltzern Breth=Spiel, auswendig mit Historien und Bluhmen erhaben geschnitten in bundt Holtz, inwendig von farbigten Holtze, in der Mitten Schiffarten, auch sonst mit allerhand Armaturen eigelegt; mit dreysig schwarz und weisen Steinen, auf der einen Seite Kayßer=Köpffe, in bundt Holtz erhaben geschnitten, auf der andern aber deren Nahmen in einem Schilde...“ Mit diesen knappen Worten beschrieb das 1741 neu angelegte Inventarium der Dresdner Kunstkammer ein Egerer Spielbrett, das sich heute im Grünen Gewölbe befindet. Es gehört zu den künstlerisch bedeutendsten Leistungen der Egerer Meister und stammt von der Hand Johann Georg Fischers, der es nicht nur signiert sondern auch mit „1655“ datiert hat. Wie uns das Inventar weiter verrät, gelangte das Spielbrett als Geburtstagsgeschenk des Kurprinzen Johann Georg II. für seinen Vater, Kurfürst Johann Georg I., in eben diesem Jahr nach Dresden. Anders als alle Vorgänger hegte der Kurprinz wenig Interesse am Militär, um so mehr aber an Kunst und Kultur. Seine besondere Liebe galt der Musik, doch bereicherte er auch die Kunstkammer mit zahlreichen Neuerwerbungen. Mit Brettspielen war der Bestand eigentlich reich gesegnet, aber ein Exemplar der berühmten Egerer Bilderschneider fehlte zu diesem Zeitpunkt noch. Für die Schauseite des Spiels benutzte Fischer eine Radierung Matthäus Merians d. Ä. zu Hanibals Niederlage in der Schlacht bei Zama oder einen älteren fast identischen Kupferstich Antonio Tempestas, den Merian recht getreu übernahm. Tempesta, der zu den brillantesten Schilderern von Reiterschlachten gezählt werden darf, hatte eine acht Blätter umfassende Serie zu Heldentaten des römischen Feldherren Scipio Africanus gestochen, in der die Schlacht von Zama mit ihrem dichten Getümmel aus Menschen- und Pferdeleibern zu den gelungensten Kompositionen zählt. Merians Kopien erschienen um 1616 bei Jacob van der Heyden in Straßburg. Die Bilddiagonale wird von einem hoch im Sattel aufgerichteten Römer bestimmt, der mit seiner Lanze einen Karthager vom Pferd sticht. Links sprengt ein mit Bogen bewaffneter nubischer (?) Reiter heran, ganz rechts schlägt ein Römer hoch zu Roß mit Löwenhelm auf einen am Boden knienden Krieger ein, der sich mit erhobenem Schild zu schützen versucht. Die Restflächen des Bildes sind angefüllt mit vielen kleinen römischen Soldaten, die auf die Kriegselefanten des Hanibal treffen. Fischer wandelte Tempestas bzw. Merians querformatiges Blatt geschickt in ein Quadrat um, indem er zum einen die Figuren geringfügig streckte, zum anderen einen dichten Wolkenhimmel über der Szene hinzukomponierte. Das aus sehr dichtgewachsenen mehrfarbigen Hölzern zusammengesetzte Meisterwerk besticht durch Dynamik, anatomische Korrektheit der Figuren und eine ungezügelte Gravier- und Punzierlust. Von einer schmalen Flammleiste abgetrennt wurden unter dem Bild die beiden lateinischen Distiche des graphischen Vorbildes aus winzigen Holzspänchen eingelegt: Hannibal ad Zamam non dextro milite pugnast/ Quem impiger ingenti Scipio dada terit:/ Turrigeri primum confracta patentia monstri, Hinc eques, et tandem tota perempta phalanx. (Hanibal kämpft bei Zama nicht mit den richtigen Soldaten. Der unverdrossene Scipio besiegte ihn in einer gewaltigen Schlacht: Erst wurde die Macht der turmtragenden Ungeheuer gebrochen, dann wurde zuletzt die Phalanx vernichtet.) Die Schlacht bei Zama ging als die große Entscheidungsschlacht des zweiten Punischen Krieges in die Geschichte ein. Hanibal, ein überlegener Meister der Strategie, hatte dem starken Rom nach Überquerung der Pyrenäen bereits drastische Niederlagen zufügen können. Trotz aller Gefechte in Italien sollte sich der Krieg aber in Nordafrika entscheiden, wo der noch junge hochbegabte römische Prokonsul Publius Cornelius Scipio die Truppen anführte. Doch zunächst spielte sich Scipios Aufmarsch noch in Europa ab. Sein erster Schlag gegen die Punier war die Eroberung der spanischen Hafenstadt Cartagena (Neukarthago) im Jahre 210 v. Chr., mit der zugleich die Kriegskasse und die Waffenschmiede Hanibals in römische Hände fiel. Ihm folgte die schrittweise Vernichtung der punischen Truppen in Spanien, was zu einer regelrechten Mysthifizierung des Scipio führte, denn man glaubte fortan an die direkte Unterstützung der Götter. Scipio hatte die Strategien Hanibals und seiner Generäle auf das genaueste studiert und entwickelte sich zu einem ebenbürtigen Taktiker. Nach seinen Siegen in Spanien wollte er es Hanibal gleichtun und den Feind im eigenen Land angreifen. So setzte eine Armada unter Scipios Kommando 204 v. Chr. nach Afrika über, um Karthago selbst anzugreifen. In Afrika schlug Scipio mit Hilfe des numidischen Fürsten Massinissa den karthagofreundlichen numidischen König Syphax, so daß ihm nun auch die bislang Hanibal dienenden numidischen Reiterscharen gegen Karthago zur Verfügung standen. Das Kräfteverhältnis hatte sich dadurch zu Gunsten der Römer verschoben, weshalb Karthago sich zu einem Friedensvertrag genötigt sah, der unter anderem den sofortigen Truppenabzug aus Italien vorsah. Nach der Rückkehr Hanibals verweigerte Karthago die Erfüllung der Verträge und die geforderte Genugtuung, so daß der Krieg erneut ausbrach. In der Entscheidungsschlacht bei Zama 202 v. Chr. trafen zwei geniale Strategen unter etwa gleichen Bedingungen zusammen, wofür die Geschichte der Kriegskunst nur wenige Beispiele kennt. Keinem der beiden Füchse gelang es, den anderen zu umfassen, weshalb schließlich ein Frontalangriff beider Seiten den Ausgang bestimmte. Hanibal wurde vernichtend geschlagen und Scipio kehrte im Triumph nach Rom zurück, wo man ihn mit dem Beinamen „Africanus“ beehrte. Das Duell der Meister eignete sich wie kein zweites Thema für die Verwendung an einem Schachbrett, das höchste Anforderungen an die intellektuellen Fähigkeiten, das Denkvermögen und die Konzentration der Spieler stellte. Der militärische Aspekt der Schauseite setzt sich am Trictrac mit Schilderung zweier Schlachten auf den breiten Mittelstreifen und militärischen Attributen an den Trictrac-Obelisken fort. In minutiöser Intarsientechnik entstanden vielfarbige und stark punzierte Landschaftsveduten, in denen sich eine Seeschlacht (links) und eine Landschlacht (rechts) abspielen. Mehrere Schiffe treffen in einer Bucht aufeinander und feuern mit ihren Geschützen, während auf dem anderen Bild eine Stadt von Fuß- und Reitertruppen belagert wird. Hohe Flammen und Rauchwolken schlagen aus den Häusern bis zum Himmel hinauf, winzige Messingsplitter symbolisieren den Funkenflug. Jeder der nur wenige Millimeter messenden Soldaten besteht aus separaten Teilen, besitzt also einzeln eingelegte Gliedmaßen, Kopf, Hut und Gewehr. Auch die Pferde sind mit größter Bravour ausgeführt. Damit steht dieses Spielbrett in der geistigen Nachfolge verschiedener Mikrotechniken, deren Erzeugnisse seit dem 16. Jahrhundert Eingang in die europäischen Kunst- und Wunderkammern gefunden hatten. Eine Fertigung dieser Bilder ohne starke Vergrößerungslinsen ist technisch undenkbar. Nicht nur die Ausführung der winzigen Intarsien, sondern auch deren Betrachtung erforderten die Verwendung einer starken Lupe. Überraschend nimmt man eine Stubenfliege in natürlicher Größe auf dem Trictrac-Plan wahr, deren Fühler, Beine, Flügel und Augen aus winzigen Holzteilchen bestehen. In seinem Sinn erschließt sich das Insekt bei der Durchsicht zeitgenössischer Inventare von Kunstkammern und Kunstschränken. So trifft man beispielsweise im Hainhoferschen Verzeichnis eines Kunstkammerschrankes für Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg auf ein „...helfenbeinfarbernes pfeiflin, welches man 2-mal auseinander schraufet, vnd man durch ein optisch vergrösserglässlin einen an ein subtilen draat gespiesten flohe, durch das perspektivglässlin sehr gross sehen kann...“. Verwendet man tatsächlich ein „vergrösserglässlin“ wird ersichtlich, daß jedes Bein der Fliege aus mehreren separaten Holzteilchen besteht. Mit blosem Auge ist dies nicht zu erkennen. Die Mühsal des Einlegens erscheint also nur dann sinnvoll, wenn die Benutzung einer Linse durch den späteren Besitzer oder Betrachter von Anbeginn in Betracht gezogen wurde. Das Interesse der Zeitgenosssen an Insekten scheint nicht zuletzt durch die bahnbrechenden Arbeiten der damaligen Mikroskopiker angeregt worden zu sein. Bereits um 1600 hatte Zacharias Janssen in Holland ein Mikroskop mit mehreren Linsen, Objektiv und Okular erfunden, dem in kürzester Zeit optische Weiterentwicklungen folgten. Der Bilderschneider ließ es sich auch nicht nehmen, seine eigene Signatur „Joh:Georg:Fischer fecit Anno 1655“ mit unglaublich kleinen Spänchen in einen Stein auf dem Schauseitenbild einzulegen. Die Schrifthöhe der Signierung beträgt etwa zwei Millimeter, die Schriftstärke nur Millimeterbruchteile. Deutlich lassen sich Klein- und Großbuchstaben unterscheiden. In der Gestaltung der Keilfelder nimmt Fischers Trictrac die schon von Adam Ecks Spielen bekannte Form auf, doch füllte er zusätzlich den Hintergrund mit einem gravierten Muster in der Art kostbarer Brokatstoffe vollständig aus. Besonders aufwendig hat Fischer die breiten Rahmenflächen des Trictracs gestaltet, in die er in kaum zu übertreffender Meisterschaft Blumen einlegte, unter denen besonders viele Tulpen vorkommen. Zum regelrechten Gemüse- Obst- und Blumengarten wächst sich das Schachspiel auf der unteren Kasettenseite aus, das auf seinen dunklen Feldern Blumen und auf den hellen Feldern Gemüse und Früchte verwendet. Kein Feld gleicht einem zweiten. Es sind Möhren, Kürbisse, Rüben, Birnen, Äpfel, Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen, und Nüsse intarsiert, einige im aufgeschnittenen Zustand. Unter den Blumen kommen Tulpen, Narzissen, Nelken, Rosen und viele nicht eindeutig bestimmbare Pflanzen vor. Die Vielfalt und der Naturalismus erinnern an ein aufgeschlagenes botanisches Lehrbuch. Verstärkt wird der Eindruck noch durch die halbplastischen Blumen auf dem Rahmen des Spiels, die erstaunlich detailreich und sehr wirklichkeitsnah dargestellt sind. Sie kehren in gleicher Art auf dem Rahmen der Schauseite wieder. Um die empfindlichen Auflagen zu schützen, sind an den vier Ecken der Rahmen Eckbuckel aus Elfenbein angebracht. Auch die durchbrochen gesägten und gravierten Messingscharniere und ein ebenso gearbeitetes Vexierschloß nehmen florale Muster auf. Um das Schloß öffnen zu können, müssen zwei kleine Rädchen in eine bestimmte, durch Markierungen erkennbare, Stellung gebracht werden. Das Dresdner Spiel gehört zu den wenigen Stücken, bei denen sich der originale Spielsteinsatz erhalten hat. Fünfzehn helle Steine sind mit Porträts deutscher Könige und Kaiser bis hin zum damals regierenden Ferdinand III., fünfzehn schwarze mit denen römischer Kaiser bestückt. Rückseitig befinden sich kleine reliefintarsierte Schriftkartuschen, in die Namen und Regierungsdauer der Dargestellten intarsiert (!) sind. Die filigran aus verschiedenen Hölzern zusammengefügten und zart gravierten bzw. punzierten Büsten folgen ganz ähnlichen „Contrafacten“ aus Johann Gottliebs „Historischer Chronica“, kleinen Medaillonbildern, die von Matthäus Merian d. Ä. radiert wurden. Wie auf den Egerer Spielsteinen hat Merian die Hintergründe vollständig punktiert. Unter den intarsierten deutschen Monarchen befinden sich einige, die effektvoll mit winzigen Silberstiften verziert sind. Die schwarzen Steine zeigen die ersten 15 römischen Kaiser lückenlos von Cäsar bis Hadrian, wobei ein wesentlich geringerer Individualisierungsgrad der Gesichter feststellbar ist, als bei den hellen Steinen. Hadrians persönlicher Sekretär Cajus Suetonius Tranquilus hatte ein Buch unter dem Titel „De Vite XII Caesarorum“ (Die Geschichte der [ersten] zwölf Cäsaren) verfaßt, das seit dem 16. Jahrhundert zu einer beliebten Geschichtsquelle avanciert war. Die Wiederauflage des Werkes befriedigte ein stark gestiegenes Interesse an „Historia“ und diente der Legitimierung eines imperialen Anspruches des schon lange regierenden Hauses Habsburg. Zahlreiche Medaillenfolgen, Elfenbeinschnitzereien oder vollplastische Büstengruppen aus Metall bzw. Stein spiegeln die Beliebtheit des Themas in der Renaissance, aber auch des Barocks. Bedingt durch die notwendige Zahl von 15 Steinen für das Trictrac erweiterte sich am Dresdner Spielbrett der Kreis der Imperatoren um weitere drei. Zusammen mit dem Schauseitenbild boten die 30 Spielsteine eine unerschöpfliche Gesprächsquelle für die gelehrten Besucher der Kunstkammer. Ob man mit ihnen tatsächlich spielte oder sie eher zum Gegenstand solcher Konversationen machte, bleibt ungewiß. Für letzteren Umstand spricht ihre völlige Unversehrtheit und das Fehlen jeglicher Gebrauchsspuren. Durch ihre aus den Regierungszeiten der Dargestellten resultierende strenge Abfolge unterscheiden sich diese Spielsteine von den anderen Egerer Steinen. Sie forderten um so mehr das geschichtliche Wissen der Spieler heraus. Johann Georg Fischer stellte 1661 eine zweite Variante des Spielbrettes her, die wenige Jahre später in die Kunstkammer des brandenburgischen Kurfürsten gelangte. Ein Egerer Spielbrett mit gleicher Schlachtendarstellung in der Kasseler Löwenburg, zwei Bretter der Sammlung Pasold im Bayerischen Nationalmuseum München und eine Bildplatte aus der einstigen Berliner Sammlung Becker, allerdings nicht von Fischer, deuten die große Resonanz an, die diesem Bildthema im 17. Jahrhundert gewiß war.LITERATUR Jochen Voigt: Für die Kunstkammern Europas - Reliefintarsien aus Eger, Halle 1999, S. 220-230. ALL COPYRIGHTS |
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