RELIEFINTARSIEN AUS EGER
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DAS GRAZER KABINETT
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Kabinett mit geöffneten Türflügeln
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Wir restaurierten das Kabinett 2001 | ![]() |
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Adam Eck (zugeschr.)
Eger, um 1650 Ma§e: H 50 x B 59 cm x T 29,5 Nadelholz (Blindholz) Birnbaum ebonisiert (Furnier) Ahorn natur und verschieden gefärbt, blaugrün verfärbte Pappel, Birnbaum und andere Hölzer (Intarsien) Wachs weiß und rot (Perlenschmuck einiger Figuren) Eisen (Schlösser) Messing (Scharniere und Schlüsselschilder) Hanns Schell Collection Graz Das Schränkchen wird von zwei Türen verschlossen und von einer Aufsatzschatulle bekrönt. Der reliefintarsiengeschmückte Schiebedeckel an der Schatulle läßt sich nach dem Betätigen einer Eisenfeder herausziehen. Türen und Seitenwände tragen hochrechteckige Reliefintarsientafeln, die mit schwarzen Flammleisten umrahmt sind. Diese „geflammten Kehlstöß“ erweisen sich als typisches barockes Gestaltungsmittel und begleiten die Egerer Kunstschreinerei bis an den Beginn des 18. Jahrhunderts. Sie dürften erstmals in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts an Egerer Kabinetten vorkommen. Seltener ist die am Gesims verwendete geschnitzte Zierleiste, die in ganz ähnlicher Form an einem Kabinett Adam Ecks im böhmischen Schloß Rosenberg und an einem kleinen Schränkchen des Meisters im Historischen Museum Regensburg wiederkehrt. Auch die Rückwand wird durch zwei hochrechteckige Füllungen gegliedert, die jedoch keine Reliefintarsien aufweisen. Die beiden gravierten Schlüsselschilder gehören zum Altbestand. Die Innenseiten der Türflügel tragen je eine hochrechteckige Reliefintarsia. Alle Scharniere aus Messing mit gravierten vegetabilen Elementen sind original und typisch für Adam Ecks Möbel dieser Zeit. Acht Kästchen mit Reliefintarsien gruppieren sich um ein zentrales Gelaß, das durch eine Einsatzplatte verschlossen ist. Nach Betätigung des Schnappschlosses läßt sich die am unteren Rand mit zwei Metallstiften in entsprechenden Aussparungen gegen Wegrutschen fixierte Platte herausnehmen. Diese originelle Art der Gelaßabdeckung kehrt an Adam Ecks Kabinetten im Westflischen Landesmuseum Münster, auf dem Adelssitz Strömsrum (Schweden), im Royal Ontario Museum Toronto, im Hohenlohe-Museum Schloss Neuenstein und im Nastionalmuseum Stockholm wieder. Sie beschränkt sich in Eger ausschließlich auf seine Werkstatt. Beide Seiten der Abdeckplatte sind mit Reliefintarsien bestückt, ebenso Rückwand und Seitenwände des Gelasses. Überspannt wird der kleine Innenraum von einem Tonnengewölbe, das man mit (originalem!) Türkischpapier tapeziert hat. Gestützt wird das Gewölbe durch vier gedrechselte dorische Säulen. Der Innenraum verjüngt sich nach hinten und schließt nach unten mit einer Fläche ab, die durch eingeritzte und teilweise punktierte Rauten wie ein mit Steinplatten belegter Boden wirken soll. Der Gewölbebogen trägt ein reliefintarsiertes Emblem.Ebenso wie auf der Außenseite sind auch alle Reliefintarsien im Inneren des Schränkchens mit Flammleisten gerahmt. Bellona und Pallas Athena Die beiden Bildplatten der Türflügel zeigen je eine bewaffnete, von Trophäen umgebene Frauengestalt. Kleine Schrifttäfelchen trugen ursprünglich die Namen der Dargestellten, doch gingen die mit Goldbronze aufgetragenen Buchstaben verloren. Die rechte Frauengestalt trägt einen modischen Hut mit üppigen Reiherfedern, einen prächtigen Spitzenkragen und ein weites Kleid mit Spitzenmanschetten. In der erhobenen linken Hand hält sie ein Schwert, in der rechten Hand eine Lanze mit Banner und Schild. Um sie herum sind Kesselpauken, Fahnen, Lanzen, eine Kanone und ein Mörser nebst Kugel gruppiert. Eine fast identische Darstellung auf dem Kabinett im Royal Ontario Museum Toronto weist die Beschriftung „PALLAS“ auf, es ist also die Göttin Pallas Athena gemeint. Die linke Frauengestalt weicht in ihrer Darstellung von der in Toronto ab, dürfte aber die gleiche allegorische Bedeutung haben. Gezeigt wird eine Dame in stoffreichem Gewand mit Spitzenkragen, Bändern mit Schleifen, einem kleinen achteckigen Spiegel am Stoffgürtel und ins Haar gebundenen Reiherfedern. Sie stützt ihre rechte Hand auf einen ovalen Schild und erhebt in der linken Hand eine Reiterpistole. Auch sie wird von Trophäen umgeben, man erkennt eine Kanone, eine Kesselpauke, eine Trommel, eine Trompete, einen Koller, Fahnen und eine Partisane. Es dürfte außer Zweifel stehen, daß es sich wie in Toronto um die Göttin „BELLONA“ handelt. Bellona und Pallas Athena stehen für zwei verschiedene, fast gegensätzliche Prinzipien des Kriegshandwerks. Bellona wurde als reine Kriegsgöttin verehrt, die sich wie Mars am wilden Schlachtengetümmel und am Sterben der Krieger erfreute. Pallas Athena hingegen ist eine weise Kriegsgöttin, die den Krieg nur um des Vorteils willen führt. Sie beschirmt die Mauern, Burgen und Hafenanlagen und gilt als scharfblickende, besonnene Kriegerin. Fest steht, daß es keine getreu umgesetzten graphischen Vorlagen für die beiden Frontbilder gibt. Adam Eck und seine Mitarbeiten haben vielmehr andere Allegorien benutzt und durch das Austauschen von Attributen in ihren Aussagen verändert. Besonders deutlich wird dies bei der Bellona, der ein Jahreszeitenbild des Antwerpener Stechers Guillaume de Gheyn nach Jeremias Falck zu Grunde liegt. Es handelt sich um die Darstellung des Sommers aus einer Serie von insgesamt vier Kupferstichen. Sichel und Fächer wurden gegen die benannten Waffen getauscht. Körperhaltung und einzelne Details (z.B. der Spiegel) verraten jedoch die Vorlage. De Gheyns Blätter entstanden zwischen 1645 und 1646 in Paris, als er dort gemeinsam mit Jeremias Falck für den Verleger Le Blond tätig war. Das Kabinett kann also nicht vor 1645 entstanden sein. Die ursprüngliche Vorlage für Pallas Athena läßt sich schwerer bestimmen. Wahrscheinlich - darauf weisen die vielen modifizierten Frauengestalten an Adam Ecks Kabinetten hin - veränderte man die Figuren immer aufs Neue durch Auswechseln der Kleider und Kopfbedeckungen, so daß schließlich nur noch an den Körperhaltungen die einstigen Vorbilder erahnbar werden. Es ähnelt Athena in dieser Hinsicht vor allem einer mit „Bellona“ bezeichneten Figur am Egerer Kabinett im schwedischen Schloß Ulriksdal, nur daß die an Stelle des Schildes dort eine Waage erhalten hat. Die seitlichen Füllungsfelder des Schrankes und auch der Schiebedeckel der Aufsatzschatulle sind mit reliefintarsierten Blumen geschmückt, die geradezu zum Charakteristikum Egerer Arbeiten geworden sind. Ihnen eine konkrete allegorische Bedeutung zumessen zu wollen, wäre sicher verfehlt. Hier darf man vielmehr von dekorativem Beiwerk ausgehen, für das es allerdings im europäischen Kunsthandwerk jener Zeit kaum ein Gegenbeispiel geben dürfte. Kriegskunst Eine fast verwirrende Bildervielfalt mit ungezählten winzigen Details eröffnet sich dem Betrachter beim Öffnen der Türflügel. Auf den Türen setzt sich die Thematik der Außenseite fort, denn wieder werden kriegerische Inhalte bemüht. Links erscheint am Himmel der rasende, blutgierige Kriegsgott Mars auf einer Wolke sitzend, umgeben von einem Waffenarsenal. Er blickt hinunter auf eine befestigte Burg, vor der ein Offizier im Habit des Dreißigjährigen Krieges auf steigendem Roß heransprengt. Er ist ganz in einen Feldharnisch gekleidet, trägt einen federbesetzten Hut und hält einen Kommandostab. Am Sattel ist das gefüllte Pistolenhalfter befestigt. Offensichtlich handelt es sich um einen Feldherr, dessen Truppen die Burg im Sturm nehmen wollen. Eine konkrete Person ist nicht gemeint, denn die Darstellung des Reiters in zeitgenössischer Tracht kommt an verschiedenen Egerer Kabinettschränken dieser Zeit vor. Vielmehr dürfte es eine Geste an die vielen zahlungskräftigen Offiziere sein, die während des Dreißigjährigen Krieges in Eger Station machten und bei Adam Eck kauften. Sie sahen ihren Berufsstand (man sprach damals vom Kriegshandwerk) gern auf einem solchen Möbel verewigt. Ganz im Gegensatz zur linken Reliefintarsia wimmelt es auf dem rechten Relief vor Menschen. Dort wird die in der Ilias festgehaltene Geschichte vom sagenhaften Raub der schönen Helena durch den Königssohn Paris erzählt. Die Entführung der „Schönsten aller Sterblichen“ nach Troja und der daraufhin ausbrechende trojanische Krieg, in dem die vornehmsten Fürsten Griechenlands wie Menelaos, Ajax, Achilleus, Nestor und Odysseus mit ihren Heerscharen gegen die unglückselige Stadt segelten, ist in den Homerischen Gesängen verherrlicht. Auf der linken Bildhälfte wird ein von bewaffneten Kriegern besetztes Segelschiff zum eiligen Auslaufen vorbereitet, während in der Bildmitte zwei Krieger damit beschäftigt sind, eine Frau in das Schiff zu heben. Durch Krone und Schuppenpanzer hat man die Entführte als von edlem Geschlecht abstammend charakterisiert. Die rechte Bildhälfte ist mit kämpfenden und gefallenen Streitern charakterisiert. Im Bildhintergrund erkennt man eine befestigte Stadt. Aus einem Torbogen dringen weitere, winzig klein intarsierte, Bewaffnete hervor. Im Gegensatz zum plastisch gearbeiteten Bildvordergrund wurden alle Hintergrundszenen in flacher Intarsia ausgeführt. Beide Türflügelreliefs stehen mit den jeweils außen angebrachten Bildern in geistiger Korrespondenz. Der ungestümen Bellona entsprechen Mars und die bevorstehende Belagerung, der in der Regel ein Niedermetzeln der Verteidiger und das Plündern der eroberten Burg folgten. Pallas Athena steht symbolisch für einen Krieg, der nicht aus Mordgier, sondern letztlich aus Liebe und gekränktem Stolz ausbrach und nur mit Tapferkeit und List (Trojanisches Pferd) zu gewinnen war. Große Ähnlichkeit mit der Darstellung von Helenas Entführung hat ein Holzschnitt des Nürnberger Künstlers Virgil Solis (1514-1562), der neben weiteren 177 Holzschnitten zur Illustration der „Metamorphosen“ des Publius Ovidius Naso (43 v.u.Z. – 17 n.u.Z.) entstand (Abb. 5). Im Jahre 1559 erschien in Frankfurt am Main eine lateinische Ausgabe der Metamorphosen. Herausgeber war Siegmund Feyerabend, dessen Name eng mit einer Konjunktur des Frankfurter Verlagswesens im 16. Jahrhundert verbunden war. Feyerabend hatte Virgil Solis für dieses Projekt als Illustrator gewinnen können. Inspirieren ließ sich Solis wiederum durch die Holzschnitte des Franzosen Berhard Salomon, der die durch Jean de Tournes in Lyon 1557 herausgegebenen Metamorphosen des Ovid bereits illustriert hatte. Salomons Holzschnitte sind größer und wesentlich detailreicher als Solis Entsprechungen gearbeitet. Der Holzschnitt des Virgil Solis schildert allerdings den Fall Trojas, also nicht die ausschlaggebende Entführung durch Paris. Auf dem Bild werden mehrere Frauen als Beute verschleppt. Die Egerer Bilderschneider funktionierten die Graphik deshalb eigenschöpferisch um und beschränkten sich auf die im Bildvordergrund ins Boot gehobene Frau, die man durch eine Krone zur Königstochter Helena erhob. Einige Figuren entfielen, andere wurden hinzugefügt. Komplizierter gestaltet sich die Suche nach einer graphischen Quelle für das linke Türrelief. Mit höchster Wahrscheinlichkeit hat man es hier mit einer Kombination unterschiedlicher Vorlagen zu tun. Der Reiter ist allzu summarisch angelegt, als das er auf ein konkretes Vorbild verweisen könnte. Zahllose Reiterbildnisse jener Zeit könnten hier einen Beitrag geleistet haben. Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung des Mars. Betrachtet man Wolken und Trophäen als auswechselbares Beiwerk, das dem Künstler als Teil seines breitgefächerten Formenspektrums zur freien Verfügung stand, so bleibt nur die Figur als Anhaltspunkt übrig. Möglicherweise stand der Titelkupfer des damals weit verbreiteten Architekturhandbuches „Architectura martialis“ Pate, das der Architekt Joseph Furttenbach 1630 in Ulm herausgegeben hatte. Nach seiner Vorzeichnung stach der in Augsburg geborene Jacob Custodis das Bild in Kupfer. Adam Eck hat diese Vorlage bereits an Göran Paykulls Kabinett im Nationalmuseum Stockholm verwendet. Turnier Die acht um die Mittelnische angeordneten Kästchen teilen sich in drei Themenbereiche auf. Vier der Kästchen tragen Darstellungen der vier Tageszeiten. Drei Kästchen sind mit der Göttertrias Juno, Venus und Pallas Athena besetzt. Der untere breite Schub zeigt ein Ritterturnier und damit das einzige nichtallegorische Bild. Ihm liegen eindeutig Vorbilder aus der berühmten „Reitschule“ des Franzosen Antoine de Pluvinels zu Grunde, die 1625 in Paris unter dem Titel „L´Instruction du roy en l´exercice de monter à cherval“ mit Kupferstichen Chrispin van de Passes herauskam. Van de Passe arbeitete seit 1617 als Zeichenlehrer an der Adelsakademie Pluvinels in Paris, der als bedeutendster Reitlehrer Frankreichs galt. 1628 erschien eine zweisprachige (deutsch und französisch) Ausgabe bei Matthäus Merian d. Ä. in Frankfurt am Main. Merians Radierungen folgen den Kupfern de Passes weitgehend. Unter ihnen findet sich auch die Szene, die Adam Eck für sein „RITTER THVRNIR“ (Wortlaut des Inschriftentäfelchens) verwendet hat. Zwei geharnischte Reiter stürmen mit eingelegten Holzlanzen aufeinander zu. Da den Bilderschneidern offenbar die adeligen Turniergepflogenheiten nicht in ihren Einzelheiten bekannt waren, wandelten sie unbekümmert die Vorlage ab: Die Holzwand hinter den Reitern ist in Wirklichkeit eine Barriere, auch Pallia genannt, die zwischen den Reitern zu stehen hat ! Sie diente der Trennung der Kämpfenden, die sich mit ihren Holzlanzen am Helm oder an den Schultern treffen mußten. Die Graphik weist den links heranreitenden Streiter als den französischen König Ludwig XIII. aus, gekennzeichnet durch heraldische Lilien an der Schabrake des Pferdes. Am Kabinettschrank ist daraus ein namenloser Reiter geworden. Trompeter und Sekundanten, aber auch die Landschaft im Hintergrund, sind freie Hinzufügungen des Bilderschneiders. Ähnliche Turnier-Reliefs finden sich am Ulriksdaler Kabinettschrank, am Kabinett des Fürsten von Hohenlohe im Museum Schloß Neuenstein und am Kabinett des Royal Ontario Museums in Toronto. Tageszeiten Mit letzterem Kabinett stimmen weitgehend auch die vier Tageszeitenbilder überein, die Adam Eck an den vier mittleren Kästchen angebracht hat. Stets wird die Tageszeit durch eine sitzende Dame symbolisiert, der verbindliche Attribute zugeordnet sind. Aurora, die Morgenröte, hat einen Blumenkorb im Schoß und hält der aufgehenden Sonne eine Blüte entgegen. Diese wird nach der Ruhe der Nacht ihren Kelch im Licht öffnen. Dies, der Tag, hält zwar auch eine Blume, wird aber darüberhinaus durch Sichel und Getreidegarbe charakterisiert. Dem Tag ist die Arbeit vorbehalten. Vespera, der Abend, zeichnet sich durch einen Obstkorb und einen Weinbecher aus. Nach des Tages Mühe wird sich bei Speis und Trank erholt. Nox, die Nacht, stellt sich als eine bis zur Nasenspitze in einen Mantel gehüllte Frau dar, die sich so vor der Kühle der Nacht schützt. Am Himmel sind kleine Sterne intarsiert. Die Reliefs folgen ikonigraphisch der damals geläufigen Sprache und tauchen an vielen Kabinetten Adam Ecks in mehr oder weniger abgewandelten Formen auf. Graphische Vorlagen lassen sich schwer benennen, da die Hintergründe stets variieren und nur die Figur selbst als Anhaltspunkt dienen kann. Aber auch hier haben die Egerer Meister bis zur Unkenntlichkeit des Vorbildes fleißig gemischt und gewandelt. Ihnen waren ja die ikonographischen Zusammenhänge bekannt, so daß letztlich nur die Attribute stimmen mußten. Im Falle der Dies läßt sich allerdings recht genau feststellen, daß die oben bereits genannte Graphik Guillaume de Gheyns Verwendung fand. Juno, Venus, Athena Eine Mittlerrolle zwischen den Türflügelbildern nehmen die drei oberen Kästchen ein, auf denen Juno, Venus und Athena in den Wolken schwebend erscheinen. Es sind diejenigen Göttinnen, die den trojanischen Königssohn Paris baten, der Schönsten unter ihnen einen goldenen Apfel zu überreichen. Juno versprach Paris ein mächtiges Königreich, Athena den Ruhm des Krieges und Venus das schönste Mädchen der Welt. Paris entschied sich für die Liebe und kürte Venus zur Siegerin. Die ihm versprochene Schönste aller Sterblichen war Helena, zu deren Entführung sich Paris per Schiff nach Griechenland begab. Gemäß ihren Versprechungen sind die drei Göttinnen attributiert: Juno mit Reichsapfel und Zepter, Athena mit Schwert und Lanze, Venus mit brennendem Herz und ihrem ständigen Begleiter Amor. So wie die übrigen, schon besprochenen Frauengestalten des Schrankes tragen auch die drei Göttinen Halsketten aus kleinen weißen Wachskügelchen, nur bei Venus erscheinen sie rot. Mittelgelaß Die Außenseite der Gelaßabdeckung zeigt eine sitzende geharnischte Frau, der als Attribute eine mächtige Säule und ein Löwe beigegeben sind. Es ist eine Allegorie der Stärke, der man allerdings ein falsches Inschriftentäfelchen zugeteilt hat! Auf dem Schild steht „THELXIOPE“, was sich vielmehr auf eine der Figuren im Inneren des Gelasses bezieht. Entweder war das Täfelchen einmal abgefallen und wurde falsch wieder angebracht, oder es handelt sich um einen Irrtum des Egerer Meisters. Die richtige Inschrift würde „MASPINUS“ lauten, wie wir es glücklicherweise durch die analoge Bildplatte am Kabinett in Toronto wissen. Der Innenraum ist den drei alten, vorhomerischen Musen der griechischen Mythologie vorbehalten, nämlich Aglaope, Thelxiope (!) und Pisinoe. Zwei sind auf den Seitenwänden, eine auf der Rückseite der Gelaßplatte angebracht. Allen drei Reliefs liegt eine Radierung zu Grunde, die sich in einem bekannten Emblembuch des 17. Jahrhunderts finden läßt, Daniel Meisners „Thesaurus Philo-Politicus“. Das „Politische Schatzkästlein“, wie es von Meisner mit deutschem Untertitel genannt wurde, erschien zwischen 1623 und 1631 in zwei Bänden zu je acht Teilen bei Eberhard Kieser in Frankfurt am Main. Meisner verfasste bis zu seinem Tode 1625 die Texte für die ersten sechs Teile, Johann Ludwig Gottfried führte die Arbeit anschließend fort. Die in Frage kommende Radierung stammt aus dem ersten Teil des Werkes und zeigt vor einem Prospekt der Stadt Kopenhagen die drei Musen als Meerjungfrauen im Wasser schwimmen. Die „Erklaerung vnd Bedeutung der Emblematischen Figuren“ in Meisners Buch weis hinsichtlich der Darstellung zu berichten: „Hier wirdt der Sirenen gedacht / welche nach der Poetenmeinung / des Acheloi drey toechtern (deren die erste Aglaope schoen von Angesicht / die andere Thelxiope verstendig / weiß vnd klug / die fritte Pisinoe / so mit ihrem Seitenspiel der Menschen hertzen erfrewet gehabt) gewesen sein.“ Kurioserweise hat man die Namen der Musen auf der Graphik spiegelbildlich vertauscht, d.h. die linke Nixe mit Harfe wird als Aglaope bezeichnet, während es in Wirklichkeit die rechte Nixe mit Spiegel sein müßte. Dies steht auch im Widerspruch zu den deutschen Begleitversen unter dem Bild: „Vom Gsicht ist schön Aglaope, Übertragen auf den Kabinettschrank bedeutet die in der Graphik vorbestimmte Verwechselung, daß an der mit Lyra attributierten Nixe auch das falsche Schild angebracht wurde, nämlich „AGLAOPE“. Richtig wäre „PISINOE“. Bei der Restaurierung des Schrankes im Juni/Juli 2001 wurden die fehlenden Inschriftentäfelchen ergänzt, jedoch ohne Inschrift. Die falsch angebrachten Schilder verblieben jedoch an ihrem Ort, da es auf Grund der beschriebenen Verwechslung durchaus möglich ist, daß sie schon seit Ecks Zeiten dort sitzen. Eine vierte Göttin erscheint auf der Rückwand des Gelasses, es ist Fortuna, die Verkörperung des Glücks. Sie steht auf einer geflügelten Kugel und hält ihren Schleier wie ein Segel in den Wind. So wie sich der Wind urplötzlich dreht, so kann sich auch das Glück unverhofft wenden. Diese sehr häufig an Egerer Kabinettschränken anzutreffende Allegorie läßt sich auf Grund der oben schon beschriebenen Abwandlungen schwer auf ein konkretes graphisches Vorbild zurückführen, zumal sich die damalige reiche emblematische Literatur sehr häufig ganz ähnlicher Fortunadarstellungen bediente. Ein letztes, sehr kleines Relief befindet sich am Tonnengewölbe angebracht. Aus den Wolken treten ein einfach bekleideter Arm mit Palmenzweig und ein geharnischer Arm mit Schwert. Palmenzweig und Schwert kreuzen sich wie zwei Klingen, wobei das Schwert zerbricht. Die graphische Vorlage des mehrfach von Adam Eck verwendeten Motives stammt ebenfalls aus dem „Thesaurus Philo-Politicus“. Es ist ein Blatt mit der Darstellung „Allendorffs ahn der Lom“, über dessen Vedute das Emblem schwebt. Man findet es im fünften Teil des Werkes, der 1625 erschien. Die Inscriptio, also die aus dem Bildinhalt abgeleitete Devise bzw. sprichwortartige Feststellung, schwebt über der Graphik: „Cedunt arma cruenta togae“ (eigentlich „Wer mit der Waffe umgeht, macht das Gewand blutig“). Man hat sie auf dem langen Inschriftentäfelchen am Mittelgelaß angebracht. (Dort steht fälschlich „Gedunt“ statt „Cedunt“) Es handelt sich um eine Ausspruch, der auf den römischen Redner und Schriftsteller Cicero zurückgehen soll. Die lateinische Inschrift der Radierung wird von Meisner sehr frei übersetzt: „Cicero, welcher (find man klar.) Meisner erklärt die Symbolik des im Bild Dargestellten mit folgenden Worten: „Daß hier zween Arm auß den wolcken greiffen deren der eine / so geharnischt / ein Schwärt helt / d. ander aber vngeharnischt einen Palmzweyg führet / dardurch wirt verstanden / daß nach lang geführtem Krieg (vermittelst Goettlicher Allmacht) der edle Fried die Oberhand zubehalten pflege.“ Der Kabinettschrank reiht sich nahtlos in eine Gruppe von Kunstkammermöbeln ein, die noch während des Dreißigjährigen Krieges bzw. kurz danach in Eger entstanden und auf Grund ihrer Motive wahrscheinlich für Offiziere (beider Konfessionen) hergestellt worden sind. Besonders eng verwandt sind der etwas kleinere Kabinettschrank des Royal Ontario Museums in Toronto, der Kabinettschrank des schwedischen Feldherren Göran Freiherr von Paykull im Nationalmuseum Stockholm, ein ähnlicher Schrank im schwedischen Schloß Ulriksdal sowie ein wesentlich größeres Kabinett in schwedischem Privatbesitz auf Schloß Strömsrum. Die aufgeführten Möbel verwenden mehr oder weniger abgewandelt ganz ähnliche Personifizierungen des Krieges (bzw. Friedens) auf ihren Türflügeln. Die Innenseiten der Türflügel von drei der vier Möbel tragen jeweils thematisch ähnliche Kompositionen, also Schlachten bzw. bewundernswürdige Heldentaten im Verständnis des barocken Zeitalters. Außerordentlich ähnlich sind auch die Schubkästen und Mittelgelasse gestaltet, denn an den benannten Vergleichsstücken finden sich ebensolche Allegorien der Tageszeiten, Darstellungen von Turnieren oder auch die Fortuna im Mittelgelaß. Jedes der Möbel ist jedoch auf seine Weise unikat. Selbst das Kabinett in Toronto, welches dem hier beschriebenen Kunstkammerschrank am nächsten kommt, weist eine Vielzahl von Abweichungen auf. ALL COPYRIGHTS |
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