RELIEFINTARSIEN AUS EGER
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DAS ERFFA-KABINETT
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Blick in die verspiegelte Festsaalarchitektur des Erffa-Kabinetts
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Wir restaurierten das Kabinett 1997/98 | ![]() |
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Adam Eck
Um 1660 Maße: H 191 x B 148 x T 83 cm (incl. Fußgestell) Fußgestell Ende 17. Jahrhundert Höhe des Fußgestells: 92,5 cm Leipzig, Grassi Museum für Angewandte Kunst Inv.Nr.: 1995.67 Zweifellos zählt der große Kunstkammerschrank des Leipziger Museums für Kunsthandwerk zu den außergewöhnlichsten Schöpfungen der Bilderschneider von Eger. Heinrich Kreisel, der dem Möbel eine „weltmännische Haltung“ bescheinigte, attributierte es als ein „Haupt- und Prachtstück“ der Egerer Kabinettschreiner. Damit war er der Erste, der die Provenienz des Möbels erkannte. Hermann Fillitz und Erwin Neumann hatten zwar einige Jahre früher schon die Reliefintarsien des Schrankes als Egerer Erzeugnisse klassifiziert, im Kabinett selbst aber eine süddeutsche, möglicherweise Augsburger, Arbeit gesehen. „Was diesen Schrank über die ganze Gattung hinaushebt, ist, daß sich im Innern des Schreins eine zweistöckige Raumarchitektur, fast wie ein Puppenhaus, auftut, mit eingelegtem Fußboden, mit Verspiegelungen, die weitere Scheinräume vortäuschen, mit einer sehr barocken Säulenarchitektur, mit der ganzen feudalen Gesellschaft, die über der Balustrade des unteren Geschosses herausschaut, die diesen Schrein aber wie ein Zauberschloß zu bewohnen und in ihm ihr Wesen zu treiben scheint.“ (Heinrich Kreisel) Seit Kreisels Ausführungen gilt jener Kabinettschrank als ein letzter verspäteter Ausdruck der „Phantastik von Kunst- und Wunderkammern“ des 17. Jahrhunderts, da seine Entstehung um 1700 postuliert und jene Festschreibung von allen späteren Autoren wiederholt worden ist. So fügt sich auch eine Fama aus jüngster Vergangenheit vor diesem Hintergrund ein, nach der das Möbel als persönliches Auftragswerk des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (genannt der „Starke“) entstanden sein soll. Inzwischen steht nach eingehenden stilkritischen und technologischen Untersuchungen fest, daß Fußgestell und Schrein zu unterschiedlichen Zeiten hergestellt wurden. Bis 1945 gehörten prächtige, blattvergoldete Akanthusranken aus geschnitztem Holz im Stil des ausklingenden 17. Jahrhunderts zur Ausstattung des Möbels, die Kasten und Füße optisch zu einer Einheit verschmolzen. Noch heute sind am Gesims und an der Unterseite des Fußgestellkastens Aussparungen zu erkennen, die als Befestigungslöcher fungierten. Beliebt war der aus Italien importierte prunkvolle Akanthus in fast allen Gebieten des Reiches, zumal zahlreiche Vorlagenwerke wie das des Wiener Hofschreiners Johann Indau oder das des Augsburger Bildhauers Johann Unselt weite Verbreitung fanden und den Holzbildhauern Anregungen für die Ausführung und Verwendung des Blattwerkdickichts lieferten. Kommt dieses „Barocklaub der Holzschnitzer“ (Jessen) an verschiedensten Kabinettschränken der Jahre um 1700 vor, taucht er jedoch nie an solchen Egerer Herkunft auf. Dies mag verwundern, da der Akanthus in einer lokalspezifischen Ausprägung gerade für das böhmische Kronland typisch gewesen ist. Die mehrstöckige Palastarchitektur mit ihren Spiegeln und Säulenstellungen weckt Erinnerungen an eine Reihe Egerer Kunstkammerstücke aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, unter denen ein verspiegeltes Kabinett der Grafen von Buquoy auf Burg Rosenberg, ein Kabinettschrank des Fürsten von Lobkowitz und eine oktogonale spiegelbestückte Schatulle aus Privatbesitz hervorragen (siehe unter der Rubrik "Kästchen und Schatullen" auf dieser website). Als Schöpfer dieser bemerkenswerten Arbeiten gilt der Egerer Hauptmeister Adam Eck, dessen Handschrift auch am Leipziger Kabinett nachweisbar ist. Ein mit alternierend schwarzen und weißen Rhomben gezierter Boden bildet die unterste Ebene des Palastes, dessen „Plattenbelag“ gemalt und nicht, wie Kreisel irrtümlich annahm, marketiert wurde. Diese Besonderheit kehrt an verschiedenen Egerer Kunstkammermöbeln jener Zeit wieder. Mittig ließ man ein Spiegelglas vertieft in den Fußboden ein. Zwölf Felder gliedern streng symmetrisch Seitenwände und Rückwand des Schreins. In der untersten Reihe sind sie mit Spiegelscheiben belegt und durch dreizehn Halbsäulen mit goldfarbenen Kapitellen und Basen voneinander abgegrenzt. Die Säulen scheinen einen darüber platzierten Umgang zu stützen, dessen Brüstungselemente mit längsoval ausgesägten Blenden verziert sind. Türkischpapier mit sogenannter Pfauenfedern-Struktur dient der Zierung dieser Ausschnitte, was an mehreren Adam Eck zugesprochenen Arbeiten zu beobachten ist. Bildtafeln mit Reliefintarsien zaubern eine Festgesellschaft hinter der Brüstung herbei, deren Treiben dem tatsächlichen Hofzeremoniell damaliger Zeiten abgelauscht scheint. Angeordnet im Zentrum kündigen drei Fanfarenbläser und ein Paukenschläger die einzelnen Gänge des Festessens an bzw. begleiten die links aufgestellte Hofkapelle. Überlieferte Berichterstattungen fürstlicher Bankette des 17. Jahrhunderts vermelden stets diesen Auftakt in ähnlicher Weise: „Bevor man zu den Fürstlichen Tafel anrichtet, wird gemeiniglich mit Trompeten und Pauken angekündigt, daß diejenigen, die die Speisen aufsetzen sollen, sich vor der Küche versammeln. Man findet in vielen Fürstlichen Hof-Ordnungen disponirt: Wenn zur Tafel geblasen wird, sollen sich so bald die Pagen und Laqueyen vor der Küche einfinden, dabey gebührlich verhalten und die Speisen vorsichtig auftragen, damit nichts verschüttet wird.“ (1) Tatsächlich werden auf der rechten Balustradenseite vom Hofmeister dirigiert bereits köstliche Speisen hereingetragen. Der Hofmeister unterstand dem (Ober)Hofmarschall, der als höchster höfischer Beamter für die Ausrichtung von Festlichkeiten und das Zeremonialwesen zuständig war. Da die Schabraken der Bläser das sächsische Wappen und die meißnischen Kurschwerter zeigen, darf man wohl von einer (fiktiven) Festlichkeit am kursächsischen Hof ausgehen und damit auf den Besitzer des Möbels schließen. Der schon durch die Handschrift des Meisters und die Anlage der Palastarchitektur vorgegebene Entstehungszeitraum des Schreines wird von der Mode der dargestellten Personen untersetzt. Vor allem die Männer mit ihren breitkrempigen, von Reiherfedern besetzten Hüten, den weiten Mänteln und behandschuhten Händen assoziieren die kriegerischen Jahrzehnte der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und die Jahre nach dem Westfälischen Frieden. Bereits unter Kurfürst Johann Georg II. begannen sich am sächsischen Hof französische Mode und ständig steigender Luxus derart auszubreiten, daß 1676 die Landstände Protest einlegten und eine Luxussteuer erhoben. Die Ausstattung der reliefintarsierten Figuren mit den derben soldatischen Gewändern ist um 1700 erst recht nicht vorstellbar, da inzwischen längst andere Kleiderordnungen herrschten und üppige Allongeperücken zum Standart gehörten. Neben den vornehmen Herren, von denen bereits einige ihre Mäntel und Hüte ablegen, betreten auch Damen als Gäste den Saal. Hellebardiere flankieren die Gesellschaft und übernehmen die Bewachung der Saaleingänge. Die zweite Etage des Saales beginnt wie im Erdgeschoß mit einer Reihung von zwölf Spiegelscheiben, nur daß man an Stelle der Säulen jetzt figürlich gestaltete Pilaster eingefügt hat. Ein Balkon mit durchbrochener Balustrade ragt in den Festsaal hinein. Über den Spiegelscheiben des oberen Stockwerkes sind Reliefintarsien befestigt, die als plastischer Fries die Wände auszieren. Dargestellt wird die Jagd auf Schwarz- und Rotwild, auf Bär, Fuchs und Hase. Links und rechts des Frieses tauchen Jäger im Habit der Zeit um 1650 auf, die von Jagdhunden begleitet werden. Bis tief in das 17. Jahrhundert hinein blieb die am Schrank skizzierte Hetzjagd mit einem Großaufgebot an Hunden und Treibern die bevorzugte Jagd. Nur der Hirsch wurde durch verbesserte Waffentechniken inzwischen auch mit der Büchse zur Strecke gebracht und so auch auf der linken Seite des Frieses geschildert. Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen hat bis zu seinem Todesjahr 1656 fast 2000 Jagden abgehalten, von denen nahezu die Hälfte dem Hirsch galt, über vierhundertmal der Wildsau und fünfundreißigmal dem Bär. Die kurfürstlichen Jagdzüge fanden oft unter Beteiligung fremder Potentaten statt und endeten mit großen Gelagen. Über dem Palastinneren wölbt sich ein gemalter Himmel, an dem Sonne, Mond und Sterne das mittig platzierte Auge Gottes flankieren. Am Firmament fliegen verschiedene Vögel, darunter Kraniche als Symbol der Wachsamkeit, zum göttlichen Licht hinauf. Die Anordnung der um ein Zentrum kreisenden Vögel erinnert an ähnliche Deckenmalereien des 17. Jahrhunderts, etwa an die (nicht im Original erhaltenen) Ausmalungen des Gartenpavillons des Raudnitzer Schloßes in Böhmen. Durch den Spiegel am Schreinboden werden die Reliefintarsien sichtbar, die sich versteckt unter der vorkragenden Empore befinden: Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis im Garten Eden, umgeben von einem nußknabbernden Eichhörnchen, einem Hirsch, dem legendären Einhorn, einer Schildkröte, einem Hund, einem obstfressenden Affen, einem lachenden Elefant und einem Stier. Eigentlich befindet sich das Paradies ja im Himmel, und tatsächlich werden die Darstellungen vom Fußbodenspiegel nach oben gelenkt und in einem zweiten Spiegel sichtbar, der sich in der Mitte der Kuppel befindet. Verschiedene reliefintarsierte Figuren des Leipziger Kabinetts lassen sich als Repliken an anderen Möbeln Adam Ecks ausmachen, so etwa einer der Fanfarenbläser an einem Kabinett im Hohenlohe-Museum Schloss Neuenstein oder einer der Jäger im Inneren einer oktogonalen Schatulle. Die künstlerische Behandlung der Reliefs ist bis hin zur Verwendung identischer Punzen mit anderen Arbeiten Ecks völlig identisch. Leider ist nichts über die Gestaltung der ursprünglichen Türflügel des Schreines bekannt. Bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts befanden sich neben einer später noch existenten neuzeitlichen verglasten Tür zwei schwarze Falttüren am Schrank, deren Originalität jedoch zweifelhaft ist. Möglicherweise hat man die Türflügel so wie die Seitenwände des Schreins nur durch leere Füllungsfelder gegliedert, um den Überraschungseffekt beim Öffnen des Möbels zu erhöhen. Interessant ist die Fragestellung nach dem einstigen Inhalt des Kabinettschreins. Größere Gefäße und Gegenstände dürften kaum mit der realistisch angelegten Palastgestaltung harmoniert und vor allem die Darstellungen hinter der unteren Brüstung verdeckt haben. Denkbar wären hingegen Glasfigürchen, wie sie beispielsweise hundert Jahre später von Jacques Raux in Paris für die Dekoration von Kabinettschränken annonciert worden sind. Derartige Figuren wurden schon seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in der Glashütte Ludovico Gonzagas (1539-1595) in Nevers, später auch in Glashütten bei Murano, London und Nürnberg hergestellt. Ein Dekorieren mit diesen kleinen Glasfiguren wäre durchaus auch auf der Empore vorstellbar. Man möchte annehmen, daß ein Kunstschrank der beschriebenen Art Eingang in das Kunstkammerinventar der sächsischen Kurfürsten fand. Im 1640 begonnenen Inventarium und den später hinzugefügten Ergänzungen fehlt von ihm jede Spur. Leider gingen zahlreiche Unterlagen im Zweiten Weltkrieg zugrunde, so daß erst vom Beginn des 18. Jahrhunderts wieder Inventarien verfügbar sind, in denen jedoch nichts Derartiges vorkommt. Am Jahrhundertende dürfte der Kunstkammerschrein bereits antiquiert gewirkt und den Entschluß zu einer Modernisierung geweckt haben. Dies geschah vielleicht in der Absicht, das Möbelstück zu verschenken. Kurfürst August der Starke kommt allenfalls als Auftraggeber des Umbaus in Frage. Stilistisch gehört das Fußgestell mit seinen gedrechselten Balustern und sternverziertem Mittelsteg tatsächlich in diese Zeit. Ob es in Sachsen entstand, steht nicht eindeutig fest, doch vertritt es einen hier vorkommenden Typus. So läßt es sich beispielsweise an einem Stollenschrank im Kunstgewerbemuseum Dresden nachweisen, der aus dem Dresdner Residenzschloß stammt. Lange Zeit hat sich der Leipziger Kunstkammerschrank im Besitz der thüringischen Adelsfamilie von Erffa befunden. Bis 1945 stand das Möbel auf Schloß Wernburg bei Pösneck. Dorthin war es im 19. Jahrhundert im Zuge einer Erbteilung gelangt. Als man in den achtziger Jahren den Wernburger Festsaal vollständig im Stil der Neorenaissance austäfeln ließ, sparte die mit den Umbauten betraute Münchener Firma Pössenbacher „in der Mitte der südlichen Längswand, gegen den Park zu, zwischen den beiden tiefen Fensternischen eine weitere blinde Nische“ aus, um das Prachtmöbel einem Wunsch des Besitzers folgend in die Innenarchitektur zu integrieren. (2) Bevor das Kabinett diesen herausgehobenen Standort im Wernburger Schloß einnahm, schmückte es das südlich von Sonneberg im Thüringischen gelegene Herrenhaus Niederlind. Dieses hatte der kaiserliche Generalfeldzeugmeister des fränkischen Kreises und Geheime Rat des Markgrafen von Ansbach, Georg Hartmann von Erffa, errichten lassen, nachdem das alte Schloß Niederlind seines Vaters 1710 durch Brand unbewohnbar geworden war. Ob Georg Hartmann von Erffa, der 1720 starb, das Möbel bereits in seinem Besitz hatte, steht jedoch nicht eindeutig fest. Eine direkte Verbindung Erffas mit dem kursächsischen Hof in Dresden läßt sich gegenwärtig nicht nachweisen. Eine solche steht indessen für seinen Sohn Johann Friedrich Crafft Reichsfreiherr von Erffa fest, der als Geheimer Rat und Abgesandter des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen, Friedrich August II., 1737 die Bestallung erhielt.ANMERKUNGEN LITERATUR ALL COPYRIGHTS |
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