RELIEFINTARSIEN AUS EGER
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DAS LANNA-KABINETT
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Geöffnetes Kabinett mit Tric-Trac-Spiel auf der Mittelnischentür
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Wir restaurierten das Kabinett 2011 | ![]() |
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Adam Eck (1604-1664)
Eger, um 1640 Gehäuse und Kästen aus Nadelholz bzw. Laubholz furniert mit Birnbaumholz, Sichtflächen ebonisiert (kein Ebenholz!) Reliefintarsien aus verschiedenen Hölzern, teilweise gefärbt, punziert, graviert "Perlen" aus Messing; Flussperlen (ergänzt) Privatbesitz Herkunft des Möbels Als früherer Besitzer des Kunstkammermöbels steht die böhmische Familie von Lanna fest. Ihren Ursprung haben die legendären Lannaschen Kollektionen in der Sammelleidenschaft des Industriellen Karl Adalbert Ritter von Lanna (1805-1866), der seinen Reichtum vor allem dem Engagement als Baumeister sowie als kaiserlich königlicher Schiffsmeister verdankte. Sein Sohn und Erbe Adalbert von Lanna (1836-1909) gehörte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des öffentlich-kulturellen Lebens in der böhmischen Hauptstadt Prag. (1) Als schwergewichtiger Kunstsammler und nicht weniger ernst zu nehmender Kunstkenner war von Lanna europaweit bekannt, so dass er zum Mitglied zahlreicher Kunstvereine in Böhmen und im Ausland gewählt wurde. Das Österreichische Museum für Kunst und Gewerbe in Wien ernannte ihn zu einem seiner Korrespondenten. Bekanntlich gingen von der 1. Weltausstellung 1851 in London gewichtige Impulse zur Gründung von Kunstgewerbemuseen in Europa aus, und auch in Prag nahm man ein solches Vorhaben in Angriff. So verwundert es nicht, dass unter den Förderern eines dortigen Kunstgewerbemuseums auch Adalbert von Lanna zu finden war. Zu seinem 70. Geburtstag 1906 übereignete er dem inzwischen etablierten Museum in Prag seine 1144 Positionen umfassende Sammlung kostbarer Gläser. Prag ehrte ihn mit der Medaille der Stadt und der Kaiser mit der Erhebung in den Freiherrenstand. Da in Lannas Familie kein Interessent für die Weiterführung des Sammlungserbes in Sicht war und die öffentlichen Reaktionen auf Lannas Mäzenatentum seinem Empfinden nach zu wenig beachtet wurden, entschloss sich der betagte Industrielle schweren Herzens, den Großteil seiner Sammlungen versteigern zu lassen. Zur ersten Auktion, die vom 9. bis zum 16. März 1909 in Berlin stattfand, kamen Kunsthändler, Galeristen und Museumsdirektoren aus der ganzen Welt, um teilzuhaben an den hochkarätigen Angeboten. (2) Lanna selbst war bei diesem Ereignis nicht anwesend. Im gleichen Jahr kam in Stuttgart seine Kupferstichsammlung unter den Hammer. Am 31.12.1909 verstarb der große Gönner und Kunstfreund. Nach seinem Tod folgten weitere Auktionen, so 1910 (Stuttgart und Wien), 1911 (Berlin und Wien) sowie 1912 (Berlin). Im Jahr 1925 starb auch Lannas einziger Sohn, Adalbert Franz Josef von Lanna (1867-1925). Vier Jahre später gelangten aus den Resten des Nachlasses weitere Kunstgegenstände zur Versteigerung. Im zugehörigen Katalog Paul Cassirer und Hugo Helbing wurde unter der Losnummer 90 der hier besprochene kleine Kabinettschrank aus Eger angeboten und nach einer mir vorliegenden Katalogausgabe mit handschriftlichen Bleistifteintragungen offenbar für 1500 Mark zugeschlagen. Beschreibung der Form In Abweichung von der üblichen Form Egerer Kabinette, die immer über kräftige Sockel- und Gesimsprofile, oftmals auch richtige Sockelzonen oder Füße, verfügen, weist dieses Möbel im geschlossenen Zustand ein eher quaderförmiges Erscheinungsbild auf. Betrachtet man nur diese Form, ähnelt das Möbel vielen kleinen süddeutschen oder Tiroler Kabinetten, die zwischen 1580 und 1620 entstanden. Ein Unterschied besteht formal darin, dass das hier vorzustellende Egerer Kabinett Flügeltüren besitzt, während die genannten kleinen Kabinette meistens eine Schreibklappe aufweisen. Die Quaderform ist jedoch evident und hat unter den bekannten Egerer Stücken bis jetzt lediglich noch ein zweites Beispiel (3). Eine zweite augenfällige Abweichung vom typischen Erscheinungsbild Egerer Kabinette ist das Fehlen von Flammleisten. Die Flammleiste mit ihrem Licht- und Schattenspiel entsprach in hervorragender Weise dem neuen, barocken Empfinden, weshalb sie unverzichtbarer Bestandteil der Egerer Arbeiten ist. Vereinzelt kommen zwar bei Egerer Kabinetten und Brettspielen auch normale Pofilleisten vor, jedoch erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann als Zeichen von Modernisierung, denn Flammleisten kamen in dieser Zeit langsam außer Gebrauch. Das hier zu betrachtende Kabinett fällt aber eindeutig in das Schaffen des Egerer Hauptmeisters Adam Eck (gestorben 1664), was aus stilistischer Sicht noch darzustellen sein wird. Adam Eck hat viele Kabinettschränke hinterlassen, die er nicht nur für Privatkunden fertigte, sondern ab 1640 auch im Auftrag des Egerer Stadtregiments. Leider ist bis heute nur ein einziger datierter Kabinettschrank aus Ecks Werkstatt bekannt. Er stammt aus dem Jahr 1648 und befindet sich in der Sammlung Czartoryskich im Nationalmuseum Krakau. Die übrigen Kabinette lassen sich aufgrund sekundärer Indizien vor und nach das Jahr 1648 einordnen. Das Lanna-Kabinett, welches seit seiner Versteigerung 1929 nicht mehr in der Öffentlichkeit auftauchte, erweist sich als ein wichtiges Schlüsselstück. Dass es anders aussieht als die „üblichen“ Kabinette der Eck-Werkstatt, kann nur daran liegen, dass es zu den frühesten, ersten Versuchen zählt. Mit den bekannten Kabinetten Ecks verbindet unser Möbel der Umstand, dass sich im Inneren eine tonnengewölbe Mittelnische befindet. Diese Bauform darf als Spezialität der Werkstatt gewertet werden. Nicht nur das Tonnengewölbe weist auf Adam Eck, sondern auch dessen Ausstattung: die Seitenwände erlauben das Platzieren von weiteren Reliefintarsien und der Fußboden ist meistens als gefugter Steinboden charakterisiert. Die Rückwand trägt fast immer eine flache oder reliefierte Intarsia.In unserem Fall handelt es sich um eine perspektivisch angelegte Einlegearbeit, die den Blick in einen Wohnraum erlaubt, in dem eine Gesellschaft zu speisen scheint. Die Seitenwände des Mittelfachs sind mit reliefintarsierten Figuren der vier Jahreszeiten besetzt, die wie Skulpturen in einem Palast oder Stadthaus wirken, zumal sie in Rundbogenfeldern stehen. Im Zusammenklang mit dem perspektivischen Rückbild und dem Tonnengewölbe verstärkt sich der Eindruck von Innenarchitektur. Es gibt Kabinette von Adam Eck, in deren Mittenische seitlich sogar vollplastische Figuren stehen (z.B. Kabinett des schwedischen Reichsrates Göran Paykull, Nationalmuseum Stockholm). Leider fehlen am Lanna-Kabinett die sicherlich vorhanden gewesenen Säulen zwischen den Jahreszeiten. Die Mittelnische wird von einer Tür verschlossen, die außen ein Reliefintarsienbild trägt, innen aber ein flach intarsiertes Trick-Track-Spiel. Letzteres macht auf einer Tür wenig Sinn, es sei denn, es wäre nur als Bild gemeint. Allerdings verraten die nicht originalen Türscharniere und verschiedene Spuren an der Holzsubstanz, dass die heutige Tür ursprünglich als herausnehmbare Platte konzipiert war. Die Reliefintarsien Im geschlossenen Zustand lassen sich folgende Gestalten der griechischen bzw. römischen Sagenwelt erkennen: Linke Seitenwand: Pomona mit Füllhorn und Sichel Rechte Seitenwand: Herkules mit der Keule Türflügel links: Mars mit Schwert Türflügel rechts: Ceres mit Füllhorn Rückwand: Venus und Adonis unter einem Baum Deckfläche: Trophäen Die Kernaussage der beiden Frontbilder ist eindeutig: Mars verkörpert den Kampf, Ceres die Fruchtbarkeit der Felder, die nur im Frieden gedeihen können. Gemeint ist das Wechselspiel zwischen Krieg und Frieden. Adam Eck hat diese Idee an vielen seiner Kabinette umgesetzt. Wenn auch die Figuren und die graphischen Vorlagen wechseln, so bleibt doch die Botschaft dieselbe. Die Sehnsucht nach Frieden in einer Zeit, die durch den Dreißigjährigen Krieg beherrscht wurde, muss allgegenwärtig gewesen sein. Aber auch die Wiederherstellung des Friedens durch kriegerische Operationen war ein probates Mittel, auf das in allegorischer Weise oft an den Egerer Kabinetten dieser Zeit hingewiesen wurde, zumal ja die Kundschaft der Egerer Bilderschneider vor allem unter den Offizieren beider Konfessionen zu suchen war. Als Beispiele für ähnliche Türflügelgestaltungen sind die Kabinettschränke im Westfälischen Landesmuseum Münster, im Nationalmuseum Stockholm, auf dem schwedischen Adelssitz Strömsrum und im Royal Ontario Museum in Toronto zu nennen.Öffnet man die Türflügel des Kabinetts, wird man durch die Fülle und Dichte der reliefintarsierten Bilder überrascht. Als besonderer Blickfang wirken die Motive der Türflügel, die von allen Motiven am Schränkchen die beste Schnitzqualität aufweisen: Links: Der Bogen spannende Apollo, neben ihm Diana mit dem Hirsch Rechts: Die am Felsen angekettete Andromeda, sowie das Meeresungeheuer Ketos und der rettende Perseus. Die bereits beschriebene Mitteltür trägt auf der Außenseite eine madaillonartig umgrenzte Reliefintarsia mit Darstellung der Venus und des mit Pfeil ausgerüsteten Amors. Venus ist modisch frisiert und trägt ein unter dem nackten Brüsten geschnürtes dünnes Kleid. Auf den zehn Schubkästen tritt die plastische Reliefintarsia in den Hintergrund, hier überwiegen vielmehr flache Intarsien, die allerdings stark punziert und graviert sind. Damit kommen wir zu einer Spezialität der Werkstatt Adam Ecks. Man darf davon ausgehen, dass für die Schubkästen Gehilfen herangezogen wurden, denn auf allen bekannten Kabinetten fällt das Niveau dieser Darstellungen gegenüber den großen Bildern stets ab. Die flachen Intarsien im Hintergrund gehen kaum, bzw. nur indirekt, auf graphische Vorlagen zurück. Wir wissen, dass die Werkstatt Adam Ecks dafür zahlreiche Radierungen Merians in Form von Einzelblättern, Blattfolgen oder ganzen Büchern (wie z.B.das „Theatrum Europaeum„, die „Historische Chronica„ oder den „Theasaurus Philo-Politicus„) benutzt hat und dass Zitate aus solchen Darstellungen immer wieder auftauchen, darunter einzelne Gebäude oder Figuren. Sie werden bunt gemischt und je nach Notwendigkeit reicher oder spärlicher ausgeführt. Einige recht modisch wirkende Figuren auf den Schubkästen wirken wie Auszüge aus Stichen von Abraham Bosse, der mit seinen Bildfolgen recht häufig Pate für Reliefintarsien von Adam Eck stand.Die kleinen Soldatenfiguren sind allerdings relativ einfach ausgeführt und mit den großen Reliefintarsien nicht vergleichbar, was ihrer Kleinheit geschuldet ist. Auf mehreren Kabinettschränken, die aus der Werkstatt Ecks stammen, kehren solche Architekturen - aber auch Landschaften - wieder, die im Bildvordergrund mit kleinen Figuren bereichert sind.Die Frontseite des Lanna-Kabinettes überrascht mit einem weiteren Indiz für die Adam Eck-Werkstatt. Es handelt sich um den hellen Zierrahmen mit schup-penähnlichem Muster, der eigentlich sonst an Egerer Reliefintarsien nicht vorkommt. Das Muster entstand durch Einstechen von halbrunden Kerben mit einem Hohleisen, außerdem wurde jeweils noch eine Ringpunze eingeschlagen. Die beschriebene Rahmung kehrt ganz ähnlich wieder an zwei prachtvollen Reliefintarsien im Schloss Königswart in Böhmen. Dargestellt sind zwei Offiziere des Dreißigjährigen Krieges: Johann Rudolf von Bredow und Simon Moritz von Donop. Beide Arbeiten habe ich der Werkstatt Adam Ecks zugeordnet, es gibt aus stilistischer Sicht hierfür nicht die geringsten Zeifel. Die Porträts entstanden zwischen 1636/37 und 1640. Beide Reliefintarsien sind durch feine Zinn- und Messingeinlagen charakterisiert. Das Interessante ist jedoch deren Umrahmung mit einem ganz ähnlichen Schuppenmotiv auf hellem Furnier wie am Lanna-Kabinett. Die Offiziere sind in hochrechteckigen Feldern mit Rundbogenabschluss platziert, ganz wie Mars und Venus am Lanna-Kabinett. Der Fond ist völlig analog mit feinen Punktpunzen aufgerauht. Selbst die Größe der Reliefintarsien ist recht ähnlich, denn die Offiziersbilder messen reichliche 60 cm in ihrer Höhe.ANMERKUNGEN LITERATUR |
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